poesis.hier
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exhibition by Dana Fabini and Beate Gördes, presented at Quartier am Hafen Cologne
opening on 5 August 2015: lecture by Dr. Jenny Graf-Bicher, shortfilms by Beate Gördes
on 9 August 2015: performance by Petra Deus and Dana Fabini
dialogue with the audience about Art in context and interaction, moderation by Dr. Wolfgang Stöcker (Deutsches Staubarchiv)
(selected photos by Beate Gördes)
Dr. Jenny Graf-Bicher: Das gelehrte „poesis“ und das bodenständige „hier“
(Auszüge aus der Eröffnungsrede)
Die Worte sind das große Thema von Dana Fabini.
Worte, die die Welt erfassen wollen, das Leben, das Sterben, die Liebe, den Schmerz, das Sprechen und das Schweigen, Worte, die die Verbindung zum Geliebten suchen. So in dem Gedicht: „Mein Geliebter wohnt im Nebenzimmer“, wo nach 729 Jahren des Wartens die Liebe noch immer nicht am Ende ist, vielmehr noch im Wachsen. Worte, die Verbindung zu den Tieren herstellen, die im Gedicht „Ich habe mich mit den Vögeln angefreundet“ im vollkommenen Schweigen mündet, Worte, die in der Verbindung zu den Mitmenschen an Grenzen stoßen wie im Gedicht „Ich sitze in der Stadtmitte“ (...).
Und immer wieder Worte, die den Weg zum eigenen Ich, zur eigenen schöpferischen Energie suchen. Dabei findet Dana Fabini eigenwillige Sprach-Bilder, die beim Lesen nicht einfach in optische Bilder umzuwandeln sind, die vom Zauber der Sprache leben. Zeile für Zeile farbig und als Hell-Dunkel abgesetzt, so genau übereinander, dass Worte in beiden Sprachen gleichzeitig in den Blick kommen, verglichen und verstanden werden können. Man sieht feine optische Rhythmisierungen - im Hell-Dunkel der Zeilen, in unterschiedlich gefüllten Zeilen, in enger oder weiter voneinander abgesetzten Zeilen. Daraus ergibt sich aber nicht ein Bild, ein Inhalt, wie in der konkreten Poesie, eher eine Partitur, Anweisung für den Klangablauf, für das Tempo der Laute, für die Pausen beim lauten Lesen. (...) Manchmal wird ein magischer Moment beleuchtet, wie in einem Haiku-Gedicht, zum Beispiel:
„eine Schneewüste.
Inmitten der Wüste ein Wohnwagen.
Darüber ein Himmel wie eine Lupe
Welche die Worte kleiner und langsamer macht.
Regloses Weiß.“
Der Zwiespalt zwischen Wort und Bild/Malerei wird selbst zum Thema im Text „Den ganzen Tag male ich Bilder, die ganze Nacht schreibe ich Gedichte“. Er handelt von der Sehnsucht, den Tag zur Nacht und die Nacht zum Tag werden zu lassen, die beiden Tätigkeiten zu verschmelzen. Es klingen die Debatten an um den künstlerischen Vorrang der einen oder der anderen Gattung, die mit dem antiken Satz „ut pictura poesis“, („Wie die Malerei, so die Dichtung“, Horaz, Ars Poetica) ihren Ausgang nahmen. Dana Fabini arbeitet in jeder Gattung „fieberhaft“, wie es im Text heißt, und so vermittelt sie uns in diesem Gedicht bildhaft und in Worten ihre künstlerische Ruhelosigkeit. Aus dieser Ruhelosigkeit entspringen die kostbaren Momente der Textbilder, die sie hier zeigt. Wo sonst - und wie sonst - könnten wir von den beiden Welten erfahren, der „eingehauchten und der ausgehauchten“, wie es in dem Text „Wenn du liebst“ heißt.
Das ist poetische Verdichtung, in der der Rhythmus des Atmens zum Rhythmus des schöpferischen Tuns wird, eben zu Poesis.